
https://de.wikipedia.org/wiki/Ivo_Rossi_Sief
(…)
manchmal macht’s ihn auch wütend-inspiriert, wie jetzt, wenn er von den Nachrichten sich am Menschsein schämen muss, oder aufsteigenden Hass, nein Zorn, gleichsam eine Schwellung im Hals beim Schlucken, empfindet. Da tut das schnelle Tippen mit dem Finger, ohne Papier, aber mit vielen der Bits ihm richtig gut. Denn es gilt mehr als nur ein „Es-hat-Geknallt“ zu nennen, jenes von gestern, dort in der Ukraine.
Plötzlich war kein rosa Panorama mehr, es war urplötzlich ein regungsloses Aufsitzen im Gemüt aller.
Reinhard fängt seine Notizen mit „Mein Wort zum Heute“ an. Dann komponiert er weiter: „Ich wollte immer und will, weil ich es nicht wie viele andere tun kann, Freundlichkeit finden, beobachten, was von Wert scheint. Davon lernen und hoffen, dass es bequem sei zu bedienen…“
Zea schleicht sich von hinten leise heran, ihm über die Schulter schauend kommentiert sie mit etwas lieblichen Ton: „Und wenn einmal die Kraft mir auszugehen droht? Muss ich dann aufgeben?“
Reinhard gefällt das Spiel und kontert: „Geschmack, Gewohnheit und Moral der breiten Öffentlichkeit dann wieder annehmen? Und alles eine Frage des Glaubens sein lassen?“
„Weißt du, Reinhard? Starke Menschen – und Männer – sind auch zart und schwach, legen dennoch ihre Größe mit dem Stempel ihres offenen Gesichtes an den Tag. Mit ihrem Leben in Toleranz. Als Erstes jene gegenüber sich selbst.“
Zea setzt sich auf einen Stuhl neben Reinhard und nun entsteht zwischen den beiden ein – recht beherztes, animiertes – Zwiegespräch.
„Zea, es ist nicht leicht, gewisse Dinge in Worte zu fassen. Und den Absurditäten des Lebens eine Bedeutung zuzuschreiben.“
„Aber Reinhard, trotz der aktuellen guten Versorgung – die effektive reale oder die mutmaßliche – hat man eine befristete Zeit, und diesbezüglich keine Verträge, die eine entscheidende Rolle spielen. Auch wenn diese offenbar als für die Wirtschaft unabdingbar uns allen verkauft wird, als eine von narzisstischen Forschern erfundene prosperierende Sache, und diese in eine generalisierte Angststörung gemeißelt oder gebrannt. Eine, die mit minimalistischem intellektuellem Quotienten genährt. Immer dem höchsten Besorgnislevel zugeteilt.“
„Zea, wir sollten nicht Bewusstsein mit dem Verstand verwechseln.“
„Ja ja, Reinhard, wir sollten auf unsere innere Glühbirne achten, diese nennt sich mitunter Intuition … oder gar Seele … oder für andere der Heilige Geist(?)“
„…ja.“
„Und ja, eben, wie wir gerade hörten, geht es – wieder muss man sagen – um die ganz andere Wesensidentität Krieg. Beziehungsweise Aggression. Und es ginge darum, dass die Förderung der gegenseitigen Sichtweise das Lernen eines Über-Blicks über Situationen erfordert.“
„Des Überblicks, der dann das Interagieren bei den Beziehungssachen, diese testend, übernimmt und zum Erweitern der sozialen Fähigkeit führt.“
„Ist nicht diese der Motor, der zu jeglichem Erfolg führt?“
„Oder auch nicht.“
„Meine liebe Zea, ganz habe ich nicht die Fähigkeit, diesen letzten Sinn mit meinem Geist zu begreifen. Ich wäre aber schon bereit, ihm zu dienen.“
„Und Reinhard, weißt du? All dies ist die Stimme eines Gefühls, das in mir hochsteigt, wenn ich wach bin. Es reflektiert im Grunde und im Endeffekt nur die Bewusstwerdung, dass ich auch einen schwachen Geist haben könnte, der nur zu Verwirrung führt.“
„Eine vermeintliche große Intelligenz mit ihren minimalen sowie ihren höheren Ebenen ist auch mit einer solchen Besorgnis verbunden.“
Reinhard legt kurz sein iPad weg, um sich intensiver diesem Dialog zu widmen. Zea schaut nachdenklich aus dem Fenster. Dreht sich um und fährt mit einem Fingerüber einen Riss in der Schreibtischkante: „Je nachdem. Thema Angststörungen gilt für schier jeden.“
„So wie für mich“, wendet Reinhard ein, „einer der anstatt nach eingesessenen Prinzipien zu handeln, tagelang auf meinen Balkonen – die gar nicht sind – Schafe auf der Straße, als wären sie auf Wiesen verloren, sieht. Übrigens war das, in etwa so wie ich es geschildert, kürzlich auch ein nächtlicher Albtraum. Es war gewiss ein seelischer Verdauungsprozess bei mir gewesen.“
„Vielleicht sollte dieser Lösungen im Perspektivenwechseleinfließen lassen.“
„Du meinst solche, die ermöglichen sollen, mein Leben-und-Sein tiefer genießen zu können?“
„Ja“, antwortet Zea.„ Um auch Leben, Familie, Freunde und Körper, Geist und Seele durch das, was du tust, was wir tun, zu erfreuen. Mit wir, meine ich, verstehst du? Solche mit einem erwachten Bewusstsein. Solche Menschen sind wie ein Sonnenuntergang, ganz Tun und Stille.“
„Und für das Umfeld, in das sie agieren, im Vergleich zu vielen anderen Dingen, ein Geschenk.“
„Ja … da sie für den möglichen Frieden dem Reste ein Spiegel sind.“
„Weißt du Zea? Würde man mich fragen, warum ich in meinem Traum, der ja Albtraum war, Angst hatte, würde ich sagen, weil ich seit jeher nicht weiß, wie man auf etwas wie diesem Krieg, diese brutale Aggression gerade auf die Ukraine, zu reagieren hat -!?“
„Ach Reinhard, um diese zu rechtfertigen, und ihren Ursprung darzustellen, bräuchte es zu viele Details.“
„Eine schriftliche Überlieferung bliebe aber immer unvollständig, weil die Schrift das Spüren von lebendiger Angst verhindert.“
„Du hast recht, die größte Substanz, ihr näherzukommen, wäre Erinnerung.“
„Hm … ich bin einfach nur bestrebt, da mehr zu wissen, mir nichts dabei denkend.“
„Aber sieh“, appelliert Zea, „verzweifelte, weil vernachlässigte Selbstliebe ist – da ist aufzupassen – aber schnell auch überall verfügbar, um diese auch Ursache für Einschränkung oder Narzissmus zu nennen.“
„Meine Liebe, das klingt wie ein Lebensprogramm, das einem vorkommt, wie wenn zwei und ein riesengroßes Angebot an materiellen Dingen zusammenkommen und vergleichbar ist mit Material, das urheberrechtlich geschützt ist, mit Trends und Daten und mit einer Bestätigung, die im Endeffekt aber keine ist.“
„Zwischendurch, du siehst es, wir sehen es gerade wieder alle, mit Krisen destruktiven Rückgangs mit stark narzisstischer Prägung.
„Ja, ein Reigen der Eitelkeiten“, wendet Reinhard ein.
„Ja … Wo Gedanken des Aufruhrs, des Aufrufs als zentrale Funktionen, nicht gelten dürfen.“
„Du triffst es auf den Punkt! Weil Gedanken des Aufruhrs zu sehr zu behaupten neigen, dass alles besser behandelt werden könnte.“
„Und uns vorstellend, dass wir alles besser behandeln würden, beziehungsweise könnten oder gar schaffen“, ergreift Zea wieder das Wort, „lass uns den Gedanken weiterspielen, sich aber so etablieren könnten, als würde die Menschheit auf einen extrem hohen Berg geklettert sein … und als seien dort am Gipfel Narzissmus, Epidemien und Kriege! Rein aus Platzgründen nicht und nie mehr möglich.“
„Zea, wir befinden uns gerade in einem Traum…“
Zea: „ Ja.“
Reinhard: „Warte hier einen Moment“
–
Reinhard geht in die Küche,
um aus dem Vollautomaten zwei Tassen Kaffee runter zu brauen – und bringt sie lächelnd zärtlich, eine für sich und eine für Zea, in die Schreib-Ecke.
„Ah Zea, wir werden jetzt leider oft über Krieg – und speziell über ‚diesen Krieg‘ sprechen und was sich da – auf den betroffenen ‚Schauplätzen‘ und den Weltflächen – abspielt.“
„Fürchterlich! Und ja, wir sehen verwelkende gelbliche und verbrannte Flächen, und meinen nicht mehr, es sei eine sonnige, positive Welt, die beste aller Welten, in die wir Menschen uns ‚einplumpsen‘ ließen.“
„Allerdings … wir haben nicht mehr den Eindruck, wir Personen, besser gesagt, Figuren seien aus einem gütigen Universum auf die Erde herabgefallen.“
„Richtig, Reinhard, plötzlich präsentierten wir uns, wie durch ein Fernrohr aus einem weit entlegenen Ort betrachtet, relativ klein im Verhältnis zur riesigen uns umgebenden, gelben – und auch giftiggelben – Welt.“
„Ja, Zea, und die Krieger an der Front in der Ukraine, dort auch die betroffene Zivilbevölkerung, wir alle, die Zuseher, abgekapselt und wie in einem Krater gefangen, den wir selbst durch unser ‚Einplumpsen‘ produziert haben.“
„Wir Figuren verharrend in unseren Augen im Zustand des Horchens, des betrachtenden Nachdenkens, aber auch im Begriff des uns Aufmachen-Wollens, des Hinein- und des Herausschreiten-Sollens.“
„Wir Menschen, allesamt in den unteren Ecken und Rändern des Weltgeschehens – und jetzt dieses Kriegsgeschehens! – angesiedelt.“
„Zea, mir fällt eine gräuliche, nach obenhin verlaufende, leicht gebogene Spur auf, als wäre sie wie ein Weg in und durch die sunnyworld, die auf uns wirkt wie das unausweichliche Schicksal des vorgezeichneten Lebens – komisch.“
„Eigentlich sehen wir, Reinhard, dass dieser Weg, wie gesagt, durch plötzliche und laufende Ereignisse durchkreuzt wird, die unheimlich plötzlich und schnell ablaufen.“
„Und doch deutliche Reste des Geschehenen hinterlassen“, fügt Reinhard hinzu.
„Ja…, Flugzeuge und Raketen und et ceteras in unsere Lebens-Spuren hinein.
„Ich frage mich, mein Lieber, ob die Ereignisse, die uns treffen, wie sage ich im übertragenen Sinn, Landebahnen seien, für wen auch immer.“
„Oder ob es Startbahnen seien?“
„Ich denke, es gilt zu fragen auch, nach, wie viel Seele‘ im Mensch-Sein man fragen soll.“
„Eher sollten wir es erläutert bekommen, weil viele der Menschen gerade jetzt als Gehirnamputierte darzustellen wären – um die Frage zu eröffnen, wo denn die viele Seele angesiedelt sei.“
„Siehe Reinhard, all unsere Emotionen und das Un- und Unterbewusste sind in unserem Cortex angesiedelt, und hier also(!) die Spielwiese der Seele zu liegen scheint – und keinesfalls im Herzen, das somit nur ein stinknormaler Muskel mit Pumpfunktion ist.“
„Die sogenannte Herzlichkeit, ist also, so wie du sagst, eine Funktion des Gehirns.“ „Der Hirnlose, Zea, deutet mit dem Finger auf die Stelle einer Zeichnung, eine Karikatur des Despoten, mit einem durchschnittenen Schädel, somit sei auch er ein Seelenloser! Ja!“
„Ich selbst frage mich“, wendet Reinhard ein, „ob der Mensch von heute überhaupt nur noch als durch und durch quantifiziert, quantifizierbar, gesteuert und steuerbar zu werten sei. Und ich frage mich auch: Bezeichnet man ‚Halbdecapitierte‘ nicht auch jene, die gerade zum Beispiel auch einen Trump bereit wären wieder zu wählen?“
Zea: „Ich, Reinhard, frage mich, ob die Weiterentwicklung des Individuums nicht bewusst massiv eingebremst wird?“
„Blieben, Zea, somit dann nur mehr die Bremsspuren unserer aller Leben?“
„Aber sehe doch, über die einsamen Figuren am ‚unteren‘ Weltbildrand – und über die im Kriegszentrum – wird dies gesagt, weil wir gerade diese Nachrichten hörten, von Redakteuren geschrieben, die neben Details und strukturellen Eigenheiten auch mit gekritzelten Sätzen, die an Notizen auf Clubtoiletten erinnern, und in meinen Augen im Grunde nur Variationen eines I was here wiedergeben.“
„Ich sehe aber auch recht klar, dass wir alle nicht auf dem Weg zueinander, sondern alle für uns allein sind, und somit, wir ‚die Zuseher‘ auch einen tiefen Blick in uns selbst werfen sollen.“
„Du meinst uns, mit unseren Fetzen gelebten Lebens?“
„Ja, aber die dann doch saftig. Nach der Art, dass abrupt die Kerne des Granatapfels einfallen, wo auch jeder Kern jedoch für sich lose ist.“
„Aber gemeinsam und im Ganzen könnten wir, wenn nur wir wollten, eine eigenwillige Frucht bilden.“
Du meinst, in etwa, die Kerne aus der Frucht lesen und vor sich aufreihen, so dass diese Kernfetzen einen Faden, eine Kette bilden, bei der Glied für Glied ineinandergreift?“
„Ja, ich stelle mir eine stete Fortsetzung vor, organisch und plötzlich ganz fest, denn Zusammengebautes hat Sollbruchstellen, Gewachsenes, bei allen Widrigkeiten, ein stabiles Konstrukt, verstehst du?“
„Wo das Bild sich nicht wie eine Flucht anfühlt, sondern wie ein Werden,
ein Besser-Werden.“
https://de.wikipedia.org/wiki/Ivo_Rossi_Sief
Granatapfel – Roman:
http://Granatapfel – Roman: https://www.eurobuch.com/buch/isbn/9788899834203.html

Sendung EX LIBRIS_Radio Ö1
18.04.2021
Mag. Dr. Peter Zimmermann zum Buch „GRANATAPFEL“:
https://drive.google.com/file/d/1svm21YLhmbzd2fyghbe_OFZOdxuqplEr/view?usp=sharing
Granatapfel – Roman:
https://www.eurobuch.com/buch/isbn/9788899834203.html
—
Ivo Rossi Sief – am 18.04.2023

Hat dies auf Andante with a Crescendo rebloggt.
LikeLike